Freitag, 2. September 2011

Freizeitprogramm im philippinischen Dschungel

Was mache ich sonst so als meine Ratte Roxanne zu observieren und alles zu notieren, was wir essen, einkaufen, anbauen?

Oft habe ich geschrieben, dass ich viel Zeit mit Nichtstun totschlage. Leider entspricht es tatsächlich den wahren Begebenheiten. Viel Unterhaltungsprogramm gibt es hier ja nicht, aber dennoch gibt es ein paar Highlights in meinem Alltag.

Hausarbeit
Nanay, unsere Herrin im Hause, verbietet Eman und Evani mich zu sehr in die Hausarbeit einzuspannen, da ich ja der Gast bin. 

Naja, verifizieren wir es mal deutlicher. Denn andere Gäste dürfen im Haushalt helfen. Ich bin der weiße Langnasen-Gast aus der 1. Welt...mir wird auch tatsächlich nicht viel zugetraut, weil ich offensichtliche Grundlagen des philippinischen Alltagsleben nicht beherrsche. Zum Beispiel hatte ich viele Fragen bezüglich des Wäschewaschens mit den Händen. 

In solchen Situation werde ich mitleidig angesehen oder es werden Witzchen über mich gerissen, dass ich nichts kann. Mir wird dann oft versichert, dass ich ja nichts dazu könne, weil ich ja aus einem Maschinenland komme, in dem alles automatisiert ist. Fische auseinander nehmen, Huhn schlachten und/oder rupfen beherrsche ich nicht, weil in unserem modernen Land ja überall Supermärkte seien.

Seht ihr, ich bin ein wandelndes Klischee-Vorurteil der westlichen Welt.

Wie auch immer, ich versuche mich bei allem ein wenig. Solange wir Nanay meine Hilfe im Haushalt so verkaufen, dass ich philippinische Hausarbeit lernen möchte, geht das in Ordnung.

Tja, und so habe ich beispielsweise gelernt, wie Fische auseinander genommen werden und entschuppt. Außerdem versuchte ich mich am Huhn schlachten bei dem kläglich versagte. Dafür bot ich meine Hilfe beim Huhn rupfen an. Das ist anstrengender als ich dachte! Weitere Aufgaben sind Essen zubereiten, Haus und Hof fegen, Hühner füttern, Obst und Gemüse ernten.

Karaoke  
Die große Leidenschaft ist das Singen. Auch wenn man nicht vor einer Karaokemaschine steht, wird gesungen. Entweder wird ein Liedchen al capella vor sich her geträllert oder es wird mit dem Handy um die Wette gesungen. Einzelne Musikdateien werden nämlich im ganzen Dorf via Bluetooth mit der gesamten Community geteilt. 

Wenn jemand bei seinen Verwandten in einem anderen Dorf war oder in der Stadt, bringt er immer ein paar neue Musikdateien mit nach Bunyasan. Freudig werden dann die Songs an die Freunde weitergegeben. Ist der Song gut, hört man ihn schnell aus jeder Ecke des Dorfes abgespielt von einem Handy, gesanglich begleitet vom Handybesitzer.

Was wären aber die ganzen Sänger ohne Mikrophon? Das führt uns zu einem Grundstück, das direkt am Meer liegt. Dort steht die heilige öffentliche Karaokemaschine. Für ein paar Pesos kann jeder mit seinem Lieblingssong in voller Lautstärke das Dorf beschallen. Inspiriert durch die vielen Musikvideos gibt es passend zum Gesang manchmal sogar eine Tanzanlage, die sich sehen lassen kann. Die meisten jungen Menschen haben ein sehr gutes Körpergefühl, da sie im Kindergartenalter bereits versuchen Musikvideos (ja, auch alte Backstreet Boys Videos) mit akrobatischen Zusatzeinlagen nachzutanzen. Welcome to the 1990s.

Auch ich probiere mich manchmal am Singen, wobei das nicht ganz freiwillig geschieht. Denn ich habe nicht wirklich das musikalische Talent und Leidenschaft wie ein Filipino, um meine Lieblingssong zum Besten zu geben.  

Alkohol trinken
Fast täglich trinke ich mittlerweile Alkohol. Das Motto ist "kurz und heftig". Also, so schnell wie möglich voll sein. Dramatische Zustände sind das hier, aber ich verstehe langsam, weshalb in diesen Gegenden so viel getrunken wird. Was soll man sonst mit der vielen freien zeit anfangen, die Arbeitslosigkeit, viel Freizeit und wenig Arbeit mit sich bringt?

Nichts tun
Das ist für mich die größte Herausforderung. Einfach stundenlang rumgammeln, Nickerchen machen, fernsehen und essen. Die Tage werden verlebt in einer Gemütlichkeit und Ruhe, dass es einen irre macht. Haushalt wird in den frühen Morgenstunden erledigt, bevor es zu heiß wird und dann wird vormittags das Mittagessen vorbereitet. Dann wird erstmal 5h nichts getan. Ist ja auch etwas heiß dafür, sodass dann auf eine Siesta ausgewichen wird. Das erklärt auch, dass der Straßenbau nicht wirklich voran geht nach Malimono. Die Schotterpiste wird an einigen Stellen offiziell betoniert, doch ich sehe nur inoffiziell Arbeiter am Straßenrand trinken oder schlafen.

Dorfveranstaltungen
Während meiner Zeit haben viele Dörfer um Bunyasan fiestas zu Ehren der Schutzheiligen gefeiert. Dazu gab es immer einen Umzug mit der Ikone und nach dem feerlichen katholischen Heiligenvererhrung wurde im Dorf im Haus des kapitan (Bürgermeister) gemeinsam gegessen. Parallel finden dann auch Hahnenkämpfe im Dorf statt. 

Weitere Veranstaltungsträger sind die Schulen. Primary  School wie auch die Highschool veranstalten in der Assembly Hall der jeweiligen Dörfer kleine Feste. Dort werden dann einstudierte Tänze, Vorträge, Gesangsauftritte und Theaterstücke dem Dorf vorgeführt. Ergänzend dazu werden auch Plakate präsentiert, die den aktuellen Wissenstand der Schüler zeigen. Lehrer erzählten mir, dass sie sich dadurch erhoffen, dass die Eltern damit auch weitergebildet werden. Denn die Elterngenerationen sind zum Teil nur wenig oder gar nicht in der Schule gewesen. Deshalb ist auf den Plakaten auch viel gemalt, sodass auch Analphabten ein wenig für sich mitnehmen können. Einmal wurde auch das Schulkönigspaar vorgestellt. Sie erhielten den Titel, weil sie am schnellsten 5000 Pesos  (96 Euro) Spenden gesammelt haben.

Und dann gibt es auch noch Basketball. Welche Leidenschaft haben den Jungen und Männer für diesen Sport entwickelt. Die verschiedenen Gemeinden von Malimono haben sowas wie eine eigene Liga und so spielen abends die Mannschaften gegeneinander. Ich frage mich, was die doch kurz gewachsenen Filipinos dazu veranlasst hat, einen Sport als ihre persönliche Lieblingssportart zu erwählen, die offensichtlich für größere Menschen entwickelt wurde. Nevermind, sie haben viel Spaß am Spielen und das Rest des Dorfes, bestehend aus der älteren Generationen und den Frauen und Mädels am Zuschauen.

In die Stadt fahren
Die Stadt ist mein persönliches Highlight an Freizeitangeboten. Im Internetcafé habe ich die Möglichkeit seriöse Nachrichten zu erhalten. Im philippinischen Fernsehen ist die Nachrichtenarbeit nicht die beste. Sagen wir mal Bildzeitungsniveau. Ansonsten bummel ich gerne durch die Stadt, mache Schaufesnterbummel und kaufe mir Lebensmittel, die ich vermisse. Dazu zählt Schokolade, Milch und Haferflocken.

Mein Lieblingsort in Surigao City ist die Markthalle. Die vielen menschen, das Feilschen, die Gerüche sind ein einziges Abenteuer.

Schwimmen
Das Meer ist ja direkt vor der Tür, also wäre es sehr verschwenderisch das erfrischende Nass in der tropischen Hitze nicht zu nutzen.  Miesten gehe ich dann mit den Kindern planschen, da die Erwachsenen ode zum teil auch alle in meinem Alter nicht im Meer spielen bzw. schwimmen. Liegt auch daran, dass niemand schwimmen kann. Einmal sind wir Bötchen gefahren und Evani und ihre Freundinnen hatten etwas Angst. Der Grund war denkbar einfach, sie können nicht schwimmen. Seitdem frage ich jeden, ob er schwimmen kann. 

Essen
Immer wenn sich die Gelegenheit ergibt wird gegessen. Und Gelegenheiten gibt es massig, eigentlich immer wenn man sich irgendwo hinsetzt. Es gibt die drei Hauptmahlzeiten und dazwischen wird ununterbrochen gesnackt. Entweder holt man sich etwas bei den Grills auf den Straßen, im Kiosk (sari-sari) Süßigkeiten oder jemand hat gerade Kochbananen oder Süßkartoffeln gekocht. Dazu gibt es in Hülle und Fülle frisches Obst wie Mango, Santol und Papaya, das an jedem Baum herumhängt.

Die Umstellung war anfangs etwas hart. Denn es wird nicht akzeptiert, dass man keinen Hunger hat. Sowas gibt es gar nicht. Außer natürlich man ist krank.

Tratschen
Filipinas sind Weltmeisterinnen im Tratschen. Anfangs bekam ich es ja nicht wirklich mit, weil niemand für mich übersetzen wollte, wenn wir in geselliger Runde zusammen saßen. Mittlerweile denke ich, dass sie nicht übersetzt haben, weil es halt so heikle Themen waren.

Und weil auch viel über mich geredet wurde. Das bekomme ich jetzt so langsam mit, weil ich immer mehr Cebuano-Vokabeln beherrsche und mir den Inhalt der Gespräche erschließen kann. Langsam wird das Leben hier spannender, weil ich immer mehr Menschen kennen lerne und nun auch noch die ganzen Geschichten um die Person.

Getratscht wird auch nicht nur über Personen, die nicht da sind. Wenn zum Beispiel eine Dame die Gruppe für einen Toilettengang verlässt, wird SOFORT der neuste Klatsch über sie verbreitet. Beliebte Themen sind Geldverschwendung, heimliche Liebschaften oder sonstiges Fehlverhalten.

1 Kommentar:

  1. Ein toller Blog - großes Kompliment!

    Marlen bitte melde Dich noch mal bei admin@philippinen.cc mit einer email-Adresse ohne Automailer ...

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