Freitag, 5. August 2011

Erste Forschungsergebnisse, Alkoholismus und Freundschaften

Forschung
Meine Forschung hat in den letzten zwei Wochen meiner Funkstille grandiose Fortschritte gemacht. Ich habe Zugang zu den anderen Haushalten und ihren Koch- und Essrituale erhalten, sodass es mir möglich ist, verschiedene Haushalte miteinander zu vergleichen. Die Haushalte gehören zu Evanis und Emans Freundeskreis, die sich sehr darüber freuen, dass ich als Forscher an ihren Küchen, Rezepten und Ritualen interessiert bin. Jeder will mir sein Zuhause zeigen und mit mir zusammen kochen

Das Essen ist sehr fleischlastig. Viel Schweinefleisch, manchmal Hähnchen und ganz selten Rind. Dazu gibt es zu allen drei Hauptmahlzeiten Fisch. Das Fleisch ist sehr fettig und besteht aus vielen Knorpeln. Bei den Hähnchengerichten muss  beim Essen auf die Knochensplitter aufgepasst werden. Meist wird das ganze Fleisch und Fisch verwertet. Hühnerkrallen (liebevoll adidas genannt, weil sie an das alte Logo des Sportherstellers erinnern), Hühner- und Fischköpfe, Eingeweide, die Fettschicht - alles wird gefuttert. 
Festzuhalten ist, dass ich Gemüse vermisse! Tomaten, Paprika, Zwiebeln und Ingwer werden zwar hinein geschnitten, dient jedoch nur dem Zweck, dass das Essen weitere Geschmacksnote erhält. Während des Essens konnte ich in mehreren Haushalten beobachten, dass das Gemüse aussortiert und nicht gegessen wird. Gewürzt werden die Gerichte all gemeinhin mit Salz und einer Gewürzmischung von Maggi, die auf den bezaubernden Namen magic sarap [Magisch lecker] hört.

Was das Essen aufpeppt, ist sawsawan. Das ist ein Soßendipp aus Soja und Essig, ergänzt durch Zwiebeln, Chili und den Citrussaft einer kalamansi [so eine Art Babylimette, die nach süßer Zitrone schmeckt]. In sawsawan wird  der Fisch, Fleisch oder Reis gedippt oder drüber gegossen. Es schmeckt fruchtig, salzig und hat einen scharfen Abgang.

Neue Bekanntschaften und die damit verbundenen finanzielle Probleme
Ich bin seit kurzen Mitglied einer Mädchenclique. Mary Cris, Bimbim und Rochelle sind Freundinnen von Evani, die ebenfalls in Bunyasan leben und wir verbringen viel zeit zusammen. Wegen meiner Haut- und Augenfarbe und meinem magischen Geldbeutel, der anscheinend nie leer wird, werde ich von ihnen gefeiert wie ein Popstar. 
Bimbim, Evani, Mary Cris, Rochelle

vor der Statue des Nationalhelden
Jose Rizal
Neue Freundinnen sind teuer...Ein schleichender Prozess von Ausnutzung, der leider Überhand genommen hat, erleichtert meinen Geldbeutel. Anfangs bezahlte ich lediglich ein paar Snacks für meine Freundinnen und endeten in Ausflügen in die Stadt, dass sie kein Geld für die Fahrt mitgenommen haben. Während der Fahrt eröffnete sie mir zudem, dass sie auch noch nicht gefrühstückt haben. Glaubt mir, niemand will mit hungrigen Filipinas um die Häuser ziehen, denn die Stimmung wird Hundertpro auf dem Tiefpunkt sein. Also muss in der Stadt zunächst gefrühstückt werden. Dann kommt das Mittagessen dazu und dazwischen hat man ja noch Lust auf einen Snack... und zuletzt die Heimfahrt. Ein Ausflug ist ein finanzielles Fass ohne Boden.
Der Fehler lag bei mir. Ganz offensichtlich. Denn ich habe mich breit schlagen lassen und mein ethischen Gewissen verlangte von mir, nicht so geizig zu sein. Wer bin ich, der sich darüber aufregt, dass ich ein bisschen finanziell von Menschen ausgenutzt wurde, die sonst nicht viel haben?! Seien wir ehrlich, unfassbar teuer ist es auf den Philippinen nicht gerade. Wenn wir zu fünft unterwegs sind, kostet ein satt machendes Mittagessen in der Stadt maximal 10 Euro für alle zusammen. 
Doch seit neustem ist es so, dass wir nicht mehr in den Imbiss gehen. Sondern es wird entschieden, dass wir in eine tolle Fastfoodkette gehen. Dort kostet jedes Gericht umgerechnet 5Euro/Person. Allein beim Essen haben sich dann die Ausgaben mehr als verdoppelt und mein studentischer Geldbeutel kennt leider Grenzen.
Aaaach Grenzen...die ich verpasst habe zu setzen und nun nachgeholt habe.
End' vom Lied ist, dass meine Clique auf mich sauer ist und nicht mehr mit mir redet. Sie bestrafen mich dafür, dass ich ihnen den Geldhahn zugedreht habe. 
 „Rochelle and Bimbim need hair conditioner, you have to buy it in Malimono!”.
I have to?! Ich muss gar nichts und zusätzlich habe ich gesagt, dass es mein Geld ist und ich es nicht mehr teilen werden. Nun ja, ich war etwas sauer, dass ich nicht mal mehr nach meinem Geld gefragt wurde, sondern danach verlangte wurde. Mir ist egal, ob ich nun mein Gesicht verloren habe und als geizige Langnase abgestempelt bin.

Auch meine Gastfamilie hat nach meinen Wertsachen Ausschau gehalten. Ronnys Frage war: 
„When you leave the PH, do you take your Laptop back to Germany?”
 Wenn Du mich so fragst - Ja, ich denke schon.
Einsamkeit
Obwohl ich so viele Menschen um mich herum habe, die sich um mich kümmern, fühle ich mich einsam. Alle Gespräche sind oberflächlich und ich habe niemanden, mit dem ich mich über meine neuen Erfahrungen austauschen kann. Also, niemanden aus meiner Kultur. Abgesehen von dem verkorksten Griechen in Bunyasan, aber naja, wie gesagt er ist ein bisschen verschroben.
Rochelle, Bimbim, Mary Cris, zwei alte 
Damen, Bimbims Mutter und Glenda 
(von links nach rechts)
Zum Glück traf ich letztens Glenda! Am Jeepneyterminal in Surigao City kam sie zielgerichtet auf mich zu. Das ist eine große Ausnahme. Obwohl alle Filipinos, die mir begegnen, mir gegenüber eine große Neugier hegen, geht es über anstarren nicht hinaus. Die 26jährige Glenda war da ganz anders, sie suchte direkt das Gespräch mit mir. Es war so schön jemanden zu haben, mit dem ich tiefsinnigere Gespräche auf Englisch zu führen. Sie wohnt seit kurzem wieder für eine Weile auf den Philippinen, in einem Dorf 20km entfernt von mir. Normalerweise arbeitet sie in Qatar und lebt dort seit 6 Jahren und war nun gezwungen für eine Visumsverlängerung in ihre Heimat zurückzukehren. Nun, ist sie erstmal in Davao City wegen ihrem Visum, aber bevor sie wieder in den Nahen Osten fliegt, wollte sich mich in Buynasan besuchen kommen.
Alkoholismus
Hier wird getrunken, um betrunken zu sein. Jeden Tag. Nicht gemütlich, sondern Kampftrinken. Das zieht sich durch alle Altersklassen.
Die meisten Menschen haben keine Arbeit hier auf dem Land, sodass ein nachmittaglicher Beginn von Alkoholexzessen nichts im Wege steht. Meistens dauert die Sauforgie auch nur eine halbe bis zu einer ganzen Stunde bis alle wieder ihre Wege gehen. Meistens treffen sich Männergruppe in der Nähe der Karaokemaschine oder einem anderen öffentlichen Ort und trinken zusammen mehrere Flaschen vom Tanduay-Rum zusammen mit (Stark-)Bier zum Nachspülen.
Selbst Eman und sein Freund Jessem kommen oft betrunken nach dem College spät abends nach Hause. Zu nanay sagt Eman dann immer, dass er mit Schulkameraden Referate vorbereitet hat. Obwohl das Geschrei von nanay dann immer laut und lang ist, ändert sich die Situation nicht.
Dem Alkoholkosum steht man unkritisch gegenüber und wird nicht als schlecht betrachtet. Wenn ich die weiblichen Mitglieder der Gesellschaft darauf anspreche, häre ich auch kritsiche Stimmen über den männlichen Konsum. Ändern können sie das Saufverhalten von ihren sturen Ehemännern, Söhnen, Brüdern, Enkeln und Neffen nicht.

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