Donnerstag, 11. August 2011

Die Gefahren im Dorf und der Angriff der New People's Army

Bewegungsmangel
Jetzt, wenn ich munter werde, weil die Temperaturen dank Regen abkühlen, habe ich einen hohen Bewegungsdrang. Ich meine eigenständig Bewegung ohne motorisierte Unterstützung. Selbst in das nächste Nachbarsdorf, das 1km enfernt ist, fährt man mit dem Motorradtaxi. Laufen ist etwas für ganz Arme, die keine Pesos für ein Taxi oder Jeepney übrig haben. 
Um meine Freizeit auszufüllen habe ich auch versucht, Hausarbeit als Beschäftigungsmaßnahme aufzunehmen. Dann bekommt aber Evani Ärger, dass sie als Hausmädchen nicht ihre Aufgaben erfüllt, sodass der Gast selbst anpackt. Da helfen auch meine Einwände nicht. Dann kommt es noch erschwerlich dazu, dass spontane Spaziergänge meinerseits etwas schwierig sind, weil ich kaum ohne Begleitung unser Haus und Garten verlassen darf.
Ich benötige laut meiner Familie immer einen Aufpasser. Wenn ich so gehe, ist eine große Diskussion mit Ronny und nanay vorprogrammiert, worauf ich auch keine große Lust verspüre. Außerdem scheint Spazieren gehen für meine Begleiter ein Fremdwort, die super unglücklich dreinschauen, wenn sie sich wegen mir zu viel  bewegen müssen.

Wie auch immer, ich habe ultimativen Bewegungsmangel! Erst habe ich versucht Eman zu überreden, dass wir zusammen Basketball spielen gehen. Er lachte bloß und sagte, das sei nichts für Mädchen und sie dürfen nur zuschauen. Danke auch!
Deshalb bin ich heute super motiviert um 6 Uhr auf der Straße, die alle Ortschaften miteinander verbindet, joggen gegangen. Ich habe nicht gefragt, ob ich gehen darf, ich bin einfach gegangen.  Sonst hätte mir meine Gastfamilie noch meine sportliche Motivation ausgeredet. Durch die schwüle Hitze -selbst am Morgen - habe innerhalb vom 30min im Schneckentempo nur eine kurze Strecke geschafft. Nanay und Evani waren trotzdem sehr beeindruckt und ich fühlte mich trotz Muskelkater erfrischt und wohl.

Die Gefahren lauern an jeder Ecke
Dann kam der Ärger, der absehbar war, weil ich ohne zu fragen zum Joggen gegangen bin. Es ist nicht so, dass ich so naiv bin und die Gefahren nicht richtig einschätzen kann. Es fällt schon auf, dass Frauen betrunkene Männeransammlungen meiden und wie viele junge alleinstehende Mädchen uneheliche Kinder haben. Wenn man eins und eins zusammenzählt, liegt es klar auf der Hand, dass Vergewaltigungen stattfinden.
Ich verlasse mich auf den Einfluss und Respekt, den tatay im Dorf hat. Das ist der Vorteil bei einer hoch angesehenen Familie zu leben. Niemand zieht mich bei Einkäufen finanziell über den Tisch oder versucht mich zu bestehl. Hinter mir steht ein Familienverband, der geachtet wird. Die Menschen können mich in ihrem sozialen Gesellschaftsgefüge einordnen und sehen mich als exotischen Familienspross der Betitos. Nicht nur als die weiße Langnase, die so schnell wie möglich, finanziell ausgenutzt werden muss.
Dann gibt es auf Mindanao noch andere Gefahren, die sich leider nicht um Familien scheren. Immerhin sind die Nachwehen des muslimischen-christlichen Bürgerkrieges 
hier im Norden Mindanaos weit entfernt. 
Wir haben unsere eigene Rebellengruppe: In den Wäldern um Malimono verstecken sich seit neustem die kommunistische Gruppe New People's Army (NPA). Diese Gruppierung ist der militärische Arm der Kommunistischen Partei der Philippinen (aktuell 10.000 Mitglieder, gegr. 1969). Ursprünglich war die NPA eine Guerillagruppe, die erst im 2. Weltkrieg gegen die japanischen Landnehmer kämpfte. nach dem 2. Weltkrieg setzte die NPA sich für ein Landreformprogramm ein, um den Pachtzins zu senken und durch Gesundheits- und Alphabetisierungsprogramme  die Lebensbedingungen für die Bevölkerung  zu verbessern. Leider benutzen sie Gewalt als Druckmittel und greifen in ländlichen Gebieten das Militär, Polizei oder auch US-Soldaten an. Sie finanzieren sich mit Entführungen, Auftragsmorden und Erpressungen. Zudem wird ihnen vorgeworfen mit der Moro Islamic Liberation Front (MILF) zu koopieren.
Die philippinische Lokalregierung hat diese Woche eine Warnung ausgesprochen und Soldaten von Surigao City nach Bunyasan geschickt. Man habe die Drohung erhalten, dass die NPA Entführungen beabsichtigt, wenn die lokale Regierung den Forderungen der NPA nicht nachkommt. Die Soldaten sollen die Bürger Bunyasans nicht nur beschützen, sondern auch kontrollieren. Gestern wurde mir unter vorgehaltener Hand zugeflüstert, dass ein paar Bewohner von Bunyasan die NPA finanziell unterstützen. Leider fühle ich mich auch nicht recht wohl mit den 20 Soldaten, die gerne einen über den Durst trinken und dann mit ihren Maschinengewehren spazieren gehen.

Nachtrag vom 21.08.2016
Gestern gab es tatsächlich einen Angriff auf Bunyasan!!!
Die Rebellen kamen um 9 Uhr (was hier eine normale Zubettgehzeit ist) und zündeten zunächst den neu gebauten Beobachtungsturm des Militärs im Dschungel an. Die Militärs schwärmten aus und beschossen 20min lang ihren eigenen brennenden Außenposten. Ich befand mich zu diesem Augenblick auf dem Balkon im 1. Stock. Ich duckte mich hinter die Pflanzen als die Schießerei losging und beobachte die Szenerie von meinem eigenen Beobachtungsposten aus.
Nach kurzer Zeit war das gesamte Dorf auf den Beinen, um herauszufinden was gerade passiert. Niemand schaltete das Licht an und alle hatten etwas Angst. Niemals zuvor war es im Dorf so leise wie in dieser Nacht.
Nanay hat sich die ganze Zeit große Sorgen gemacht, dass ich entführt werde. Vor allem weil es Symphatisanten in Bunyasan gibt, die der NPA sagen konnte, dass eine entführungswerte junge Weiße im Dorf lebt. Zusätzlich haben wir noch als Übernachtungssgast den dreijährigen Urenkel Loe zu Besuch, der während des Angriffes Krawall gemacht hat und raus zu "Action" wollte. Ihn mussten wir ständig einfangen, weil er unentwegt versuchte einen Weg nach draußen zu finden











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