Freitag, 22. Juli 2011

Der erste Eindruck des Dorfes Bunyasan (Mindanao, Philippinen)

Maayong gabii! [Cebuano; Guten Abend]

Jeepney in Bunyasan
Eine Schifffahrt, die ist lustig...die Fähre fuhr 11h durch die Nacht und es war eisekalt. Ronny ist davon ausgegangen, dass ich gerne 1. Klasse reise, sodass wir fast die gesamte 50 Mann Kabine mit Hochbetten für uns hatten, die dank Klimaanlage eher an einen kalten Herbsttag mit Windböen erinnerte. Damit habe ich natürlich nicht gerechnet, so nahe am Äquator zu frieren. [Nachtrag 04.11.2011: Gut, dass ich erst bei meiner Rückkehr nach Deutschland über die vielen Fährenunfälle mit vielen Toten erfahren habe]

[Randnotiz: das nächste Mal in der 2. Klasse reisen am offenen Deck]

Kurz vor dem Hafen von Surigao City wurde ich zum ersten Mal mit krasser Armut konfrontiert. Kinder schwammen behelfmäßig und mit Brettern als Schwimmunterstützung neben der Fähre entlang, um nach Geld zu betteln. Sie hatten 

sogar Köcher, um hinunter geworfene Geldscheine schnell aus dem Wasser fischen zu können. In Surigao City angelegt, wurden Ronny und ich direkt von einer anderen Familiemitgliedern abgeholt. Ich bin erstaunt, wie viele Verwandte von meiner Freundin ich in kürzester Zeit kennen lerne durfte. Auch hier traut sich niemand wirklich mit mir zu reden. Mehr ein höfliches geflüsterte Kumusta ka? [Wie geht's?] erhalte ich nicht, dafür werden meine Schritte, Bewegungen aus allen Ecken des Hauses neugierig beobachtet. 




Da Ronny seiner Aufgabe als Dolmetscher nicht hinterherkommt, weiß ich nicht, was wirklich um mich herum passiert. Ich esse, warte und lasse mich beobachten. Bald müssen die Großeltern meiner Freundin aus Bunyasan - meine zukünftige Heimat - kommen und mich abholen.


Die Großeltern besitzen ein Jeepney - "Unternehmen", das aus einem umgebauten US-Militär-LKW besteht. Diese Militär-LKW haben die US-Amerikaner ausrangiert, die sie vor Jahrzehnten auf die philippinischen Inseln brachten. Jeepney sind quietschbunte Busse, die Kurz- und Langstrecken günstig zurück legen und gleichzeitig Bestellungen der vielen kleinen Einkaufsläden auf der Strecke in der Stadt erledigen und ausliefern [Nachtrag: 15.08.2016].


Endlich in Bunyasan

Die Fahrt nach Bunyasan dauert ungefähr 1h für 36km. Durch die vielen Stopps, bei denen Waren ausgeladen werden und Menschen ein- und aussteigen summiert sich die Fahrtdauer. Als Ehrengast durfte ich im Führerhäusschen mitfahren und konnte mich schon ein wenig mit dem Hausmädchen meines neuen Zuhauses anfreunden. Evani ist in meinem Alter und macht sowas wie ein Haushaltsjahr bei dem alten Ehepaar Betito. Sie lebt mit im Haus und kümmert sich um den Haushalt der beiden.


Angekommen im Dorf gab es keine Verschnaufpause. Denn Evanie zeigte mir sofort das Dorf und ihre Freundinnen. Ich muss ja zugeben, dass ich den ganzen Tag gebraucht habe, um herauszufinden, wer wie heißt, denn untereinander reden sie sich nur mit day an (Kosewort unter Gleichaltrigen).


Während meiner Dorfstour fühlte ich mich wie die Queen in England. Die ganze Zeit wurden wir von einer Traube Kinder verfolgt wurden, die sich aber an mich nicht näher herantrauten. Die Erwachsenen waren mutiger als die Kinder, die Evani ansprachen, um alles über mich in Erfahrung zu bringen.  Am Ende des Tages habe ich das Gefühl, dass ich allen 500 Einwohner die Hand geschüttelt habe.



Erste Hürden sind bereits aufgetaucht:

  • nanay Faustina - die Großmutter Betito - möchte nicht, dass ich alleine im Dorf rumstreunere und mich nur im Haus und dem Grundstück frei bewegen darf. Mal sehen, was die Zeit bringt, denn ich fühle mich allein durch die Vorstellung bereits sehr eineengt.
  • Die viele Aufmerksamkeit strengt dazu sehr an. Ich werde sogar bis zum Klo begleitet und davor bleibt jemand stehen. Ich bin in keiner Sekunde alleine. 
  • Die Menschen sind hier sehr arm, sodass sie mich ständig mit einem Sohn, Neffen, Bruder oder Schwager verkuppeln wollen. Sie sind voller Hoffnung durch eine Heirat an "meinen" westlichen Wohlstand heranzukommen. Wenn sie wüssten, dass ich nur armer kleiner Student bin? 


Fazit des Tages

Klar, ich bin erschlagen von Eindrücken und die gesamte Kultur ist sehr neu und fremd für mich. Dennoch möchte ich mir ein erstes Fazit erlauben.


Forschung - Ich denke, ich werde keine Probleme haben mit Evani zusammen zu arbeiten, weil ich mich super mit ihr verstehe und sie die Köchin im Hause ist. Vergleichbares Material von anderen Haushalten wiederum zu erhalten kann sich als schwierig erweisen, da ich nirgends allein hin darf und Kontakte knüpfen kann. 


Wohlfühlfaktor - Es ist ein zweischneidiges Messer: ich fühl mich sicher im Schoss der Familie Betito und bin froh, dass menschen auf mich aufpassen.  Anderseits bin ich sehr in meiner Freiheit beschnitten. Zum Teil bin ich auch sehr verunsichert, weil ich nicht weiß, ob ich in Gesprächen richtig reagiere oder die Menschen mich verstehen, wenn ich ihnen etwas über mich erzähle. Bisher habe ich den Eindruck gewonnen, dass ich ein amerikanisches Daily-Soap-Leben fühle wie sie es aus dem Fernsehen kennen.


Sprache Ich bin erstaunt, wie viele Vokabeln ich bisher aufschnappen und erfolgreich anwenden konnte. So bin ich in der Lage zumindest mit den Menschen hier zu smalltalken. Nur die wenigen sprechen Englisch, sodass ich gezwungen bin den hiesigen Dialekt Cebuano/Visayan sprechen zu lernen, wenn ich mich zukünftig nicht mehr auf Dolmetscher verlassen möchte.

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