Montag, 14. November 2011

Blumen

Getrieben von Vergessenheit und einem schleierenden, schweren Nebel um die Augen läuft sie über die Wiese, um auf Blumen zu treten. Zu zerstören, was schön und anmutig ist. Was eigentlich allein durch Schönheit geschützt ist. Dann ein Straucheln und Fallen, das schlußendlich in Liegen bleiben endet. Mit dem Straucheln verlassen Erinnerungen den Kopf sowie den Drang immer weiter zu laufen. Hier liegen zu bleiben verspricht eine Pause. Die Wiese kitzelt die Haut, beim Liegen in ihr. Meterhoch ist sie, daran ist noch Erinnerung. Die Augen geschlossen, genießen Geruch-, Tast- und Hörsinn das gemeinsame Spiel der Natur.

Das sehe ich ihr an. Sie, die nun neben mir liegt. Fremd. Ihre Brust hebt und senkt sich. Leicht außer Atem. Zu Recht, denn sie trampelte mit aller Kraft die Blumen nieder und nun sind ihre Augen zu. Auch, wenn verlangt wird sie zu öffnen, die Augen müssen geschlossen bleiben, sie können nicht anders, denn sie sind zu gerötet und...angeschwollen ist kein schöner Begriff, aber alle Synonyme sind noch unliebsamer.

Lieber die Bewegung der Ameise auf dem Bein spüren. Bloß nicht bewegen, dieses starke Ungeziefer gerät viel zu schnell in Panik. So lass sie doch. Nur Liegen und Ruhen scheinen die einzigen Möglichkeiten zu sein, die sich eröffnen. Gestört durch einer ihren Tränen, die ich für sie mit meinem Zeigefinger auffange, sodass sie nicht kaputt geht. Ich betrachte sie mit voller Konzentration. Aber der Geruch der Blumen lenkt mich ab. Er ist eine Mischung, die kein Parfüm der Welt nachahmen vermag. Die Namen der Blumen sind nicht bekannt, warum denn auch, niemand machte sich die Mühe sie mich zu lehren und so sind sie nur ein Geruch. Kein Name, kein Bildnis der Blumen. Die Frage ist, ob die Kenntnis etwas bringt. Welch Nutzen hat Wissen für diesen Moment. (Nur ein Punkt, kein Fragezeichen, weil rhetorischen Fragen sind es nicht Wert ein besonderes Zeichen zu erhalten.). Die Ameise hat nun überlegt, dass es nichts mehr zu erkunden gibt, aber ihre Schwestern entdecken das getrocknete Blut. Sie war wohl so blind wie ich. Die erste Ameise. Zu ihr fühlt man Zuneigung. Sie ist wie ein jeder Mensch. Eine unter vielen. Und blind wie sie. >>Die anderen Ameisen sind wohl Wanderameisen der Familie der Dorylinae oder Aenictinae. Bei ihnen kann ein Staat bis zu mehreren Millionen Tiere umfassen.<< Sagt mir das Mädchen. >>Sie sind Aasfresser, und auch Räuber. Man nimmt, was man bekommt.<< Die ersten Worte, die sie spricht. Und noch weiter: >>Ich warte, dass die anderen 13.636.498 sich dazugesellen, dass sie meinen Körper zerfressen. Darum bin ich hier<< Ich bleibe bei dir, verspreche ich. Ich bin ich und wer bist du? Du.

Die Ähnlichkeit zwischen Ich und Du ist mehr als noch identisch, aber die Gesichtszüge wurden durch andere Emotionen geprägt. Ich bin ausdruckslos und Du ist vom Schmerz zerfressen. Ich und Du sind Wir. Ein Körper und die Persönlichkeiten so grundverschieden. Hier bei den Blumen warten wir, warte ich, bis die Ameisen gelockt durch den süßlichen Eisengeruch sich zu mir gesellen. So schön wie die Blumen bin ich, aber sie tötete mit einem Messer die leibliche Hülle. In der Hoffnung, dass das Messer bis zur seiner Seele durchdringt, die abstoßend ist. >>Ich bins. Dein Vergissmeinnicht.<<

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